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Vita

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A queer perspective on women in pop culture

Ausgabe Nr. 132

Dezember 2018

ARCHIV-BEREICH

 

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Die Zeit ist jetzt

 

 

 

 

 

 

 

Interview mit

Adi Amati

 

 

 

Interview: Christine Stonat (11/2018)

Fotos: MAD Fox Productions

 

 

 

 

 

 

 

weird: Du hast mit „Die Uhr läuft“ gerade einen neuen Song veröffentlicht. Ein Aufruf zu handeln – persönlich wie politisch – und ein Plädoyer für die Liebe, richtig!?

 

Adi Amati: Genau so! Schön erkannt. Es geht darum zu sehen, dass die Uhr abläuft die richtigen Schritte für sich selbst zu machen, im innerlichen Bereich, im äußeren Bereich, politisch gesehen. Wir müssen etwas bewegen, wir müssen etwas verändern, wir können so nicht mehr weitermachen. Auf die Natur direkt bezogen, heißt das auch, dass wir alles vollmüllen, ohne darüber nachzudenken, was für Auswirkungen das auf die Natur, die Erde und im Endeffekt auch auf uns hat. Das Gleiche gilt auch dafür seine Träume zu verwirklichen. Es ist wichtig, dass man das beginnt und nicht zu lange wartet, weil es sein kann, dass du nächste Woche stirbst und dann etwas nicht gemacht hast, und das wäre schade und gleichzeitig auch sinnlos. Und deswegen: „Die Uhr läuft“.

 

Nächstes Jahr kommt mein Album „Wiedergeburt“ raus. „Die Uhr läuft“ ist die erste Single von dem Album.

 

 

 

weird: Für die Videoaufnahmen zu „Die Uhr läuft“ warst du in Ghana, dem Herkunftsland deines Vaters und wie du selbst sagst ein Stück von Heimat für dich, hast dort u. a. mit ghanaischen Tänzer_innen gearbeitet. Wie entstand die Idee zum Video?

 

Adi Amati: Die Idee entstand letztes Jahr. Ich bin letztes Jahr nach Ghana gereist und habe angefangen mit dem Produzenten Salmmy K von Soultown Music zu produzieren. Da fing die Idee an, mein komplettes Album dort aufzunehmen. Und dann dachte ich: „Klar, dann mache ich auch die Videos hier.“ Und ein Jahr später bin ich wieder dorthin gereist und habe die erste Single dort gedreht und mit Africanproduction zusammengearbeitet. Die haben ein Video gemacht. Nii Addy-Razaq und Majeed haben mir geholfen das alles umzusetzen. Sie haben die Tänzer ran geholt, Make-up-Artist, Painting Artist; und so kam das irgendwie spontan, aber auch geplant, dass das Video in Ghana entstanden ist.

 

 

 

weird: 2017 erschien dein Song „Unsere Zeit ist gekommen“ auf deiner Debut-EP „Weltenkind“. Bereits hier nutzt du wie in „Die Uhr läuft“ das „Zeit“-Thema, empowerst zum Handeln. Ist das etwas, was dich besonders beschäftigt?

 

Adi Amati: Total, weil es für mich nicht einfach war in Deutschland aufzuwachsen. Ich bin in Kiel aufgewachsen, oben im Norden. Mir wurden viele Steine in den Weg geworfen und ich musste mich selbst pushen. Ich hatte zudem das Glück einen Vater zu haben, der mich immer gepusht und an mich geglaubt hat, besonders an meine Talente. Er hat mir gezeigt, dass unsere Zeit gekommen ist, für sich zu handeln und, egal woher man kommt und was für religiöse oder ethnische Hintergründe man hat, es schaffen kann. Und dass die Zeit jetzt ist. Das ist ein Thema, was mich sehr, sehr beschäftigt. Man braucht etwas, was einen pusht. Die Musik ist ein ganz gutes Rohr und eine gute Möglichkeit das umzusetzen.

 

 

 

weird: Du hast es gerade gesagt, deine Kindheit und Jugend in Kiel waren nicht einfach, was dich sehr geprägt hat. In früheren Statements sprichst du von dem erlebten Rassismus, Sexismus, von Angst, Gewalt, Wut. Ist deine Musik sowohl ein Ventil für Erlebtes, als auch Medium, das weiterzugeben, was dir selbst gefehlt hat?

 

Adi Amati: Ja, total. Na klar reflektiere ich, aber es ist mir immer auch ganz, ganz wichtig, dass meine Songs empowern. Ich will nicht, dass man den Song hört und denkt: „Oh Gott, hatte die eine schlechte Kindheit oder „Orrr, ist das hart hier in Deutschland“. Klar, ist es so, aber wir schaffen das, wir können das und es macht uns stärker. Und damit meine ich im Endeffekt alle Menschen. Jeder hat seine Last, die er tragen muss. Die einen mehr, die anderen weniger.

 

 

 

weird: Du lebst heute in Berlin. Wie hat Berlin dein Leben verändert?

 

Adi Amati: Berlin hat mein Leben gigantisch verändert, im Musikbereich und menschlich. Ich hatte endlich den Spielraum das umzusetzen, was ich mir erträumt habe. Ich saß in Kiel und hatte diese Träume im Studio zu sein und alles zu organisieren und zu machen. Die Möglichkeiten zu haben verschiedene Musiker einzuladen und so ein gigantisches Album zu machen, das kann nur in Berlin passieren. Berlin hat alles verändert. Den ganzen Musikwerdegang. Ich habe fast drei Jahre in einer 8-köpfigen Band gespielt, das hatte ich damals in Kiel auch noch nie erlebt. Das war schön und ist immer noch schön, auch daran zu wachsen.

 

 

 

weird: Wie und wann bist du zur Musik gekommen? Und wie zum Rap und Soul?

 

Adi Amati: Relativ früh. Ich war etwa 5 Jahre alt. Mein Papa ist ein leidenschaftlicher Musikhörer, Sammler und selbst auch Musiker gewesen. Er hat Percussion gespielt. Dementsprechend wurde ich ganz früh schon an die Musik herangebracht und habe eigentlich immer schon gesungen. Als ich die ersten eigenen Texte geschrieben habe, war ich ca. 12. Und ich glaube, das erste Mal als ich etwas aufgenommen habe, war ich 14. Im ersten kleinen Home Studio im Keller. Die Jungs haben damals alle gerappt und gebreakt und getaggt. Ich würde behaupten, da bin ich auf jeden Fall musikalisch entstanden, zwischen 5 und 14 Jahren. Soul, Blues, Jazz war die Ecke, die mein Papa gehört hat. HipHop kam dann mehr von mir selbst irgendwann dazu als ich meine Persönlichkeit langsam entfaltet und gesagt habe: „Was für Musik höre ich eigentlich, und was mag ich?“ Da waren Tupac, Nas, Lauryn Hill und die Fugees meine Idole. Irgendwann kamen dann Joy Denalane und Max Herre dazu, und ich dachte: „Wow, das kann man auch auf Deutsch machen!?!“

 

 

 

weird: 2010 erschien dann dein Debutsong „Afro Punk“.

 

Adi Amati: Richtig. Das war mein erster Song, den ich alleine gemacht habe. Ich habe viele Jahre in Bands und HipHop-Konstellationen, Crews performt. Das war das allererste Mal, dass ich etwas solo rausgebracht habe.

 

 

 

weird: Du singst, rappst und produzierst deine Songs selbst. Genießt du die heutigen technischen Möglichkeiten, die Musikveröffentlichungen einfacher gemacht haben und damit die Vorzüge als Independent Künstlerin mit eigenem Label (das Dede wie einer deiner Vornamen heißt)? Oder wünschtest du dir manchmal ein Plattenlabel käme vorbei und würde die doch recht harte Arbeit als Independent-Artist unterstützen – oder ist das selbstverständlich der Traum aller Musiker_innen?

 

Adi Amati: Also, ich produziere nicht komplett selbst. Das, was ich produziere, ist, ich füge alle Personen zusammen und kreiere einen neuen Sound. Und ja, vollkommen. Ich bin Independent Künstlerin. Mir ist und war es schon immer wichtig, dass ich weiß, wie das Musikbusiness funktioniert. Damit habe ich sehr viel Zeit verbracht. Ich habe eine Ausbildung als Musikkauffrau gemacht und gelernt wie das Musikbusinessmanagement und Online-Marketing-Management funktioniert. Ich mag es, selbst die Sachen zu organisieren und die Idee dazu zu haben und das dann umzusetzen. Das ist mir ganz wichtig, damit ich ich selbst bleibe in der Musik. Bei großen Majors (Plattenfirmen/Plattenlabel. Anm. d. Red.) kann es passieren, dass man sich da schnell verliert. Deswegen ist es schon schön independent zu sein. Aber es gibt mittlerweile ja schon viele Konstellationen, wo es funktioniert, wo ich nicht sagen würde, ich würde jetzt komplett gar keinen Plattendeal haben wollen. Aber es muss eben ein cooles Label sein, das die Vision, die ich habe, unterstützt. Da finde ich Indie-Labels mittlerweile schon cool. Cooler als die Majors.

 

 

 

weird: Ist der Titel deiner independent veröffentlichten Debut-EP „Weltenkind“, ein Titel, der bedeutet, dass du dich selbst als Weltenkind siehst? Du hast von dir kürzlich gesagt, Berlin, Ghana, Freund_innen, Familie, ja, aber dass deine Heimat vor allem du selbst bist, deine innere Welt. Ist „Weltenkind“ eine Bezeichnung für dich?

 

Adi Amati: Total. Weltenkind: Ich bin in Kiel geboren, meine Mama ist Italienerin, ich habe einen italienischen Pass, mein Papa kommt aus Ghana und überall, wo ich war, habe ich mich immer ein bisschen zu Hause gefühlt, oder auch nicht zu Hause gefühlt. Ich habe dadurch irgendwann erkannt, dass man das Heimatgefühl mit sich mittragen muss. Es ist ganz, ganz wichtig, dass man den Weg zu sich selbst darin sieht und sagt: „Ich bin meine Heimat. Hier in meinem Tent, in dem ich lebe. Und damit meine ich den menschlichen Körper und den Geist. Weltenkind. Ich komme von der Welt. Wir sind alles Weltenkinder. Wir kommen vom Planeten Erde.

 

 

 

weird: 2018 hast du an dem queeren Klirrrrr Festival Berlin im Rahmen des Events „Caring For Conflict“ teilgenommen. Definierst du dich selbst als queer und wie definiert queer sein dich?

 

Adi Amati: Total. Ich habe erst gestern erst ein Gespräch darüber mit meiner Frau gehabt, weil sie mich genau das gefragt hat. Es geht in meiner Musik auch darum frei zu sein. Und da gehört sexuelle Orientierung genauso dazu. Ich gehe schon frei damit um und versuche auch zu empowern und nehme genau deswegen auch an solchen Veranstaltungen teil, um zu supporten und Gesicht zu zeigen. Das ist mir ganz, ganz wichtig. Aber, sagen wir mal so, ich bin schon sehr, sehr glücklich, dass ich in Berlin wohne. Ich weiß, dass es in Kiel ein ganz anderes Thema für mich war. Da musste ich mich viel mehr damit auseinander setzen als hier in Berlin.

 

 

 

weird: Abschließend noch mal zurück zum „Zeit“-Thema. Zwei Songs, zweimal das Thema Zeit. „Unsere Zeit ist gekommen“ klingt jedoch eher nach positivem Aufbruch und Revolution, dein neue Song „Die Uhr läuft“ mehr nach Dringlichkeit jetzt zu handeln, weil es irgendwann bald zu spät sein könnte – persönlich und politisch. Hat sich bei dir in der kurzen Zeit zwischen den beiden Liedern auch etwas geändert?

 

Adi Amati: Ja, total. Das stimmt. Ich habe in der Zeit leider meinen Vater verloren. Davor war es dieser Aspekt, ich kam gerade aus Indien und hatte dort einen Unfall und war wieder fit und konnte wieder machen. Und dann bin ich in diesem Film weitergefahren und habe die Vergänglichkeit von Zeit noch mal ganz anders empfunden und wahrgenommen und für mich verstanden.

 

Politisch ist es wichtig, dass wir jetzt zusammenkommen und anfangen mit einander zu kommunizieren. In den Parts von „Die Uhr läuft“ geht es aber auch um das Utopische, darum, loszulassen und sich eine Vorstellung davon zu machen, wie schön es eigentlich sein kann.

 

 

 

 

 

 

Interview: Christine Stonat (11/2018)

Fotos: MAD FOX Productions

Die Musik der queeren Rapperin Adi Amati ist geprägt von Retro R&B, Trap, Rap und Pop. Mit ihren eindringlichen Texten in deutscher Sprache und ihrem smoothem Sound schafft sie sich ein persönliches Ventil und will zugleich Awareness schaffen und andere Menschen empowern. Adi Amatis Mutter ist Italienerin, ihr Vater, der kürzlich verstorben ist, ist Ghanaer. Aufgewachsen als Adrienne Amartey in Kiel hat die Musikerin dort als Kind und Jugendliche erfahren müssen wie hart es ist täglich Rassismus, Sexismus, Gewalt und Angst zu erfahren. Seit sieben Jahren lebt die Musikerin, die seit frühester Kindheit Musik macht und mit 14 die ersten eigene Songs aufgenommen hat, in Berlin. Sie ist mit ihrer Partnerin verlobt, die Hochzeit steht bevor.

 

weird war im November 2018 zum Telefoninterview mit Adi Amati verabredet. weird sprach mit Adi Amati über ihre neue Single „Die Uhr läuft“ (11-2018) und das dazugehörige 2019 erscheinende Debutalbum „Wiedergeburt“, darüber, warum das in ihren Texten immer wieder präsente Thema „Zeit“ für sie so wichtig ist, wie Berlin sie verändert hat, warum sie ein „Weltenkind“ ist - so der Name ihrer noch aktuellen EP - und über noch vieles mehr.

 

Online: https://www.facebook.com/

afropunkmusic/

 

 

Interview-Steckbrief

- in eigenen Worten -

 

 

Name: Adi Amati

Alter: 31

Beruf: Künstlerin

Wohnort: Berlin

Meine weirdeste Eigenschaft: Dass ich immer das Positive in den schlechtesten Dingen sehe

 

 

Adi Amati | Foto: MAD FOX Productions

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