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Vita

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A queer perspective on women in pop culture

Ausgabe Nr. 127

Mai 2018

ARCHIV-BEREICH

 

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Kein Entkommen

 

 

 

 

 

 

 

 

Interview mit

Sunna Huygen

 

Interview: Christine Stonat (4/2018)

Fotos: Re gina San der

 

 

 

 

 

 

 

 

weird: Dein neues Programm „Horizont – geschnitten oder am Stück“ hat im Mai 2018 Premiere. Ohne zu viel vor weg zu nehmen, kannst du ein klein bisschen dazu erzählen, worum es im Wesentlichen darin geht!?

 

Sunna Huygen: Ich bleibe meinen Themen treu: Sexismus, Homophobie, Rechtsruck und Rassismus. Wie groß ist unser Horizont, was hindert daran, den Horizont zu erweitern, wo wollen wir einfach nicht hingucken? Eigentlich hatte ich auch noch vor, das Poetische am Horizont herauszuarbeiten, aber bisher machen die genannten Themen mir hauptsächlich schwerer Gefühle. Aber noch bin ich ja auch nicht fertig mit Schreiben; es wäre schön, wenn die Schönheit und das Kämpferische nicht zu kurz käme.

 

 

 

weird: „Horizont – geschnitten oder am Stück“ ist dein sechstes Kabarettprogramm. Mit deinem ersten bist du 2010 gestartet. In wie weit würdest du sagen, hat sich deine Bühnenarbeit inhaltlich und künstlerisch/„handwerklich“ in den acht Jahren verändert?

 

Sunna Huygen: Inhaltlich verschiebt sich meine eigene Position. Ich bin als wütende Frau auf die Bühne gegangen, die sich öffentlich über erlittenen Sexismus und Homophobie aufgeregt hat. Mittlerweile habe ich begriffen, dass ich auf der Privilegienleiter als weiße deutsche Cisfrau aus einem Bildungshaushalt doch ziemlich weit oben stehe. Es ist mir wichtig, die Bühne zu nutzen, um mich auch für andere aufzuregen und zu fragen, wie sehr ich selbst auch Teil des Problems bin.

 

Künstlerisch habe ich vor allem in den letzten zwei Jahren viel gelernt. Ich habe angefangen zu schauspielern, zu singen und Requisiten zu benutzen. Ich kann zwar weder schauspielern noch singen, aber die Horizonterweiterung macht viel Spaß.

 

 

 

weird: Geht es – wie von Udo Lindenberg besungen – hinterm Horizont „weiter“?

 

Sunna Huygen: Es wird nie gelingen, alles bemerkt, verstanden und reflektiert zu haben. Deshalb wartet hinter jedem Horizont ein neuer, den es zu entdecken gilt.

 

 

 

weird: Was ist politisches Kabarett für dich?

 

Sunna Huygen: Eine Ausdrucksform, die mir Räume eröffnet. Politisches Kabarett hat im bürgerlichen Milieu den Ruf, intelligent und wertvoll zu sein. Ich werde von Leuten und Institutionen eingeladen und bezahlt, die mir, wenn ich eine linke, feministische Aktivistin wäre, niemals die Bühne geben würden. Manchmal fühlt sich das fast subversiv an.

 

 

 

weird: Wie verfolgst du die Diskussion darüber, „was Satire darf“?

 

Ich bewege mich ziemlich wenig durch öffentliche Medien, in denen solche Diskussionen geführt werden.
Ständig werden Witze auf Kosten von „Randgruppen“ gemacht, kaum eine Comedymixedshow kommt ohne Schwulenwitz oder Rassismus aus. Da finde ich die Aufregung über ein „Schmä
hgedicht“ über Erd og an irgendwie albern.

 

 

 

weird: Sexismus und Homofeindlichkeit sind wichtige Teile deiner Programme. Was ist dein aktueller Schwerpunkt diese beiden Themen betreffend?

 

Sunna Huygen: Was mich unglaublich wütend macht, ist, dass reaktionäre Kräfte jetzt den Feminismus entdeckt haben und missbrauchen, um rassistische Ressentiments zu schüren. Ich fühle mich unglaublich instrumentalisiert, wenn angeblich zu meiner Sicherheit Geflüchtete Repression erleben.

 

Durch die #metoo-Bewegung ist so viel Sexismus und patriarchale Gewalt durch weiße Männer aufgedeckt worden, aber deswegen wäre unser Sexualstrafrecht niemals reformiert worden.

 

Anonsten bin ich zur Zeit wenig mit direkter Homophobie beschäftigt, sondern mehr mit der überall herrschenden Heteronormativität, vor der es einfach kein Entkommen gibt.

 

 

 

 

 

 

Interview: Christine Stonat (4/2018)

Fotos: Re gina San der

Die queere Kabarettistin Sunna Huygen macht politisches Kabarett. Klug und selbstreflektiert widmet sie sich auf der Bühne politisch wie poetisch vor allem Themen wie Sexismus, Rassismus, Homofeindlichkeit und „Rechtsruck“. Am 10.5.18 feiert sie mit ihrem neuen, sechsten Programm „Horizont - geschnitten oder am Stück“ in ihrer wendländischen Heimat Premiere.

 

Sunna Huygen (Jahrgang 1981) kommt gebürtig aus der Nähe von Bonn und war u. a. fünf Jahre als Tischlergesellin auf Wanderschaft. Heute lebt sie im niedersächsischen Wendland. Für weird unterbrach Sunna Huygen im April 2018 freundlicherweise kurzfristig ihre letzten Arbeiten an ihrem neuen Kabarettprogramm und beantwortete ein paar Fragen zu Programm, Satire, Horizonten, Sexismus und Homofeindlichkeit.

 

Online: www.sunna-huygen.de

 

 

Sunna Huygen live:

19.5.18, 19 h, Lesbenfrühlingstreffen 2018, Musa, Göttingen

 

Interview-Steckbrief

- in eigenen Worten -

 

Name: Huygen

Alter: Sunna

Beruf: Kabarettistin, Tischlerin

Wohnort: Wendland

Meine weirdeste Eigenschaft: Wenn ich im Cafe am Tisch sitze, darf der NICHT wackeln!

 

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